Eine Portfoliokonstruktion nach herkömmlicher Prägung scheint heute veraltet. Anleger stellen sich zunächst oft die Frage, ob sie sich in Bezug auf eine bestimmte Anlageklasse für eine aktive oder passive Strategie entscheiden sollten. Das ist aus Sicht von BlackRock der falsche Ansatz. Für optimale Portfoliorenditen sollten sich Anleger von dem Denken in Aktiv-/Passiv-Kategorien verabschieden, so Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie für Deutschland, Schweiz, Österreich und Osteuropa. Christian Nicolaisen von der Netfonds AG führte mit Dr. Lück von BlackRock dazu ein interessantes Gespräch.
Aktive und passive Geldanlagestrategien: Ein Glaubenskrieg?
Christian Nicolaisen: In den Medien wird viel über den Glaubenskrieg zwischen aktiven und passiven Strategien berichtet. Was ist genau der Unterschied dieser Strategien?
Dr. Martin Lück: Die Renditen, die Fondsmanager erzielen, lassen sich in zwei Kategorien aufteilen:
- In die erste Kategorie fallen Renditen, die sich systematisch durch das Investment in marktbreite Indizes wie zum Beispiel den MSCI World Aktienindex abbilden lassen. Auch Faktorindizes wie zum Beispiel der MSCI World Quality Aktienindex fallen darunter. Diese Renditen können mit passiven Investmentinstrumenten wie ETFs (Exchange Traded Funds) sehr kostengünstig abgebildet werden.
- In die zweite Kategorie fallen Renditen, die das Ergebnis aktiver und kluger Anlageentscheidungen und nicht systematisch über einen Index darzustellen sind. Letzteres bezeichnet man gemeinhin als Überrendite oder Alpha. Stichworte sind in diesem Zusammenhang Wertpapierauswahl, anlageklassenübergreifende taktische Asset-Allokation und Markt-Timing-Strategien.
Christian Nicolaisen: Können Sie auf das Investieren nach Faktoren eingehen – was steckt genau dahinter?
Dr. Lück: Hier unterscheiden Investmentprofis ebenfalls in zwei Kategorien. Zunächst sind Makrofaktoren zu erwähnen, die anlageklassenübergreifend die Hauptrenditetreiber darstellen. Beispielsweise haben Makrofaktoren wie das generelle Wirtschaftswachstum, die Realzinsen sowie die Inflation entscheidende Auswirkungen auf viele Anlageklassen. Neben den Makrofaktoren werden zunehmend mehr den Stilfaktoren Aufmerksamkeit geschenkt. Dies sind spezifische Merkmale einzelner Anlageklassen. Beispiele für Stilfaktoren sind Value (unterbewertete Unternehmen), Size (kleinere und flexiblere Unternehmen) und Quality (bilanzstarke Unternehmen).
Passive ETF-Geldanlage: Ein Patentrezept für Privatanleger?
Christian Nicolaisen: Jeder spricht vom Megatrend des passiven Investierens. Sind ETFs ein Allheilmittel für Privatanleger?
Dr. Lück: Es ist tatsächlich so, dass der Siegeszug von ETFs in den letzten Jahren vielen Endanlegern den Einstieg in den Kapitalmarkt erleichtert hat. Mit Angeboten wie Musterportfolios oder ETF-Sparplänen ist der Vermögensaufbau heute so leicht und kostengünstig wie noch nie. Dennoch sind wir überzeugt, dass aktive Renditen auch in Zukunft eine entscheidende Rolle in der Portfoliokonstruktion spielen wird. Viele Anleger haben noch immer relativ hoch gesteckte Ziele in einem Umfeld allgemein niedriger Renditen. Allein mit Marktrenditen sind diese wahrscheinlich nicht erreichbar. Was bedeutet das? Aktive Renditen zu erwirtschaften – also mehr als die Benchmark – spielt weiterhin eine Schlüsselrolle.
Christian Nicolaisen: Was sind nun Ihre Kernbotschaften für Endanleger für die Portfoliokonstruktion?
Dr. Lück: Da haben wir drei identifiziert.
Wissen, was Sie für Ihr Geld bekommen: Anleger sollten zwischen Alpha-, Markt- und Faktorrenditen differenzieren können. Warum? Dafür gibt es aus unserer Sicht zwei Hauptgründe. Zum einen ist diese Differenzierung erforderlich, damit Anleger echte Alpha-Chancen identifizieren können. Zum anderen gilt: Ein klares Bild von den Ertragsquellen des Portfolios erleichtert es Anlegern, konsequent ihre strategischen Ziele zu verfolgen.
Ganzheitliche Betrachtung: Ein Denken in Aktiv-/Passiv-Optionen greift zu kurz. Zu bevorzugen ist heute eine gute Mischung unter Berücksichtigung der Anlageziele und Restriktionen des einzelnen Anlegers. Patentrezepte gibt es dabei nicht. Die Kombination von alphaorientierten Fonds und Index- und Faktor-Strategien sollte auf Portfolioebene stattfinden und nicht Anlageklasse für Anlageklasse erfolgen. Ein ganzheitlicher Ansatz ist gefragt. Alphaorientierte Strategien mit höherem erwartetem Alpha (nach Gebühren) sollten Bestandteil eines Portfolios sein.
Zeit ist Geld: Ausschlaggebend ist die Rendite nach Kosten. Die Gebühren für die einzelnen Produkte sind jedoch nicht für alle gleich und können sich im Laufe der Zeit ändern, sind also kundenspezifisch. Die Kosten, die für die Identifizierung und Beobachtung alphaorientierter Fonds anfallen, können ebenfalls stark ins Gewicht fallen. Vielen Anlegern stehen dafür nur begrenzte Mittel zur Verfügung. Anleger müssen sich daher die Frage stellen, ob sie über die Kompetenzen und Research-Ressourcen verfügen, um dies zu leisten.
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