Die Europäische Zentralbank (EZB) bewegt sich vor ihrer nächsten geldpolitischen Sitzung im Juni 2021 auf der einen Seite in einem Spannungsfeld zwischen hohen Inflationsraten und positiven Konjunkturaussichten. Auf der anderen Seite befinden sich immer noch ganze Wirtschaftszweige im Corona-Krisenmodus und sind auf eine weitere Unterstützung angewiesen. Der weitere Kurs und die Inflationserwartungen beeinflussen die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe und somit auch die Bauzinsen, welche aktuell leicht ansteigen.
Welche weitere Entwicklung ist bei den Zinsbewegungen zu erwarten?
Die Baufinanzierungen sind in den letzten Wochen leicht teurer geworden. Der aktuelle Topzins beträgt 0,74 Prozent für eine zehnjährige Zinsbindung, im April lag er noch bei 0,61 Prozent, für eine 15-jährige Darlehensfestschreibung bei 0,99 Prozent und eine 20-jährige Zinsbindung liegt bei 1,22 Prozent. Deshalb stellt sich bei vielen Baufinanzierern die Frage: Wird sich der Anstieg fortsetzen?
Experten schätzen, dass eine weitere leichte Bewegung nach oben im Bereich des Möglichen liegt. Der Grund dazu ist, dass die Finanzmärkte aktuell und voraussichtlich noch in den nächsten Wochen ihren Blick vermehrt auf die hohe Inflation richten werden. Damit einhergehend schwingt die Erwartung von möglichen Zinserhöhungen der Zentralbanken mit, was in der Folge zu höheren Baufinanzierungszinsen führen kann. Allerdings zeichnet sich noch nicht ab, ob die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni die Anleihekäufe im Rahmen des Pandemie-Programms PEPP nachjustieren wird. Wenn sie beispielsweise ankündigen sollte, das Tempo wieder zu drosseln, dann würde dies zinssteigernd wirken. Nach heutigem Stand ist aber davon nicht auszugehen, den Fachleute rechnen kurzfristig mit keiner Veränderung. Denn es ist aktuell weder eine Aufstockung notwendig, noch kann mit einen relevanten Rückgang der Ankäufe gerechnet werden.
Wenn die Zinsen für Baufinanzierungen weiter steigen – mit welchen Ausmaß müssen Baufinanzierer kalkulieren?
Das Aufwärtspotenzial für die Bauzinsen ist ausgesprochen eingeschränkt – auch längerfristig gesehen ist nur wenig Luft nach oben. Denn zum einen bleibt die Geldflut durch das PEPP-Programm noch bis mindestens nächstes Frühjahr bestehen und Experten halten sogar eine Verlängerung für möglich. Denn die Wirtschaft im Euroraum wird bis Ende 2022 brauchen, um wieder das Vorkrisenniveau zu erreichen. Und so lange manipulieren die Anleihekäufe und andere Maßnahmen der Zentralbanken den Zins massiv nach unten. Außerdem wird die Inflationsdynamik im nächsten Jahr wieder abflauen. Damit wird der Druck, die Zinsen zu erhöhen für die Zentralbanken wieder nachlassen.
Welche Folgen haben die steigenden Zinsen für eine Immobilienfinanzierung?
Obwohl sich ein leichter Anstieg bemerkbar macht, befinden wir uns immer noch ein extrem niedrigen Zinsniveau im historischen Vergleich. Auch wenn diese Bewegung sich noch weiter nach oben bewegen sollte, sind keine massiven Auswirkungen auf den Finanzierungsmarkt oder die Nachfrage zu erwarten. Ein Anstieg von 0,2 oder 0,3 Prozentpunkten beim Zinssatz führt zwar zu leicht höheren Kosten oder einer längeren Dauer der Gesamtlaufzeit des Darlehens. Ein Aus für eine machbare Baufinanzierung bedeutet dies aber nicht. Denn nicht die Zinskosten sind der limitierende Faktor, sondern das Angebot der Immobilien zu angemessenen Preisen. Aktuell verschärft beispielsweise der Mangel an Holz und anderen Baumaterialien hauptsächlich beim Neubau die Situation zusätzlich.
Warnungen vor steigender Inflation – Ab wann muss die EZB den Leitzins wieder anheben?
Die aktuelle Nervosität der Marktteilnehmer sollte nicht überbewertet werden, die aufgrund des kurzfristigen deutlichen Inflationsanstiegs von einem Eingreifen der Zentralbanken ausgehen. Die derzeitigen höheren Inflationsraten treten in diesem Jahr nur temporär auf, verursacht durch den „Corona-Nachholbedarf“ aus 2020 und einigen Sonderfaktoren wie die CO2-Bepreisung. Aus heutiger Sicht wird die Dynamik des Inflationsanstiegs im Jahr 2022 aller Wahrscheinlichkeit nach wieder zurückgehen und deshalb steht die EZB derzeit nicht unter Druck, mit geldpolitischen Maßnahmen gegenzusteuern. Unter Zugzwang würde sie erst geraten, wenn es zu einem nachhaltigen und signifikanten Überschreiten der 2-Prozent-Marke kommt. Dies wird im nächsten Jahr nicht der Fall sein. Die Europäische Zentralbank (EZB) überarbeitet gerade ihre Strategie, um möglichst spät handeln zu müssen. Blickt man auf die USA, so ist eine wesentlich stärkere Inflation zu beobachten. Durch die strategische Ausrichtung der amerikanischen Notenbank, kann diese die aktuelle Phase erst einmal beobachten, ohne gleich gegensteuern zu müssen. Derzeit gilt die Aussage der Federal Reserve System (Fed) noch, die Zinsen bis 2023 nicht zu erhöhen.
Wie sind die aktuellen Forderungen nach einer Straffung der Geldpolitik einzuschätzen?
Betriebswirtschaftlich ist es verständlich, dass Vertreter aus der Bankbranche grundsätzlich ein Interesse an höheren Zinsen haben, denn diese wirken sich tendenziell positiv auf ihre Ertragsbilanz aus. Von der EZB erhalten die Banken aber inzwischen für deren Negativzinspolitik über das TLTRO-Programm quasi Zinssubventionen, beziehungsweise Transferzahlungen in ihre Bilanzen als Kompensation. Forderungen nach einer kurzfristigen Reaktion der EZB auf eine vermutlich nur einige Monate andauernde Phase der Inflation von mehr als 2 Prozent sehen Experten skeptisch. Der daraus resultierende Effekt wäre nur eine Verunsicherung des Finanzmarktes. Eine umsichtige, langfristig denkende und agierende EZB bringt mehr Vertrauen für alle Finanzmarktteilnehmer, als wenn sie auf kurzfristige politische Forderungen mit Aktionismus reagiert.
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Tendenz der Baufinanzierungszinsentwicklung:
kurzfristig: leicht steigend
mittelfristig: schwankend seitwärts
langfristig: schwankend seitwärts
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