Das Jahr 2021 neigt sich dem Ende zu. Zum Jahresschluss herrscht auf medialer und politischer Ebene und an Finanzmärkten begrenzte Zuversicht für die nähere Zukunft. Risikowahrnehmung ist durch die Themen Corona, Inflation, Zinspolitik, Stagflation, Staatsdefizite und geopolitische Risiken bestimmt.
Corona: Ein Überblick
Das Thema Corona wird die Welt auch 2022 bewegen. Wird in eine Pandemie hineingeimpft, werden Mutationen ausgelöst. Derzeit belastet die Corona-Mutante-Omikron. Saisonal ergeben sich in den kalten Jahreszeiten verschärfte Infektionsszenarien, die sich durch Gegenmaßnahmen und dem jahreszeitlichen Wechsel abschwächen werden. Mutationen schwächen sich in ihrer Gefährlichkeit im Zeitverlauf grundsätzlich ab. Ausnahmen bestätigen die Regel. Entsprechend ist verantwortliches Handeln gefragt. Pandemien sind nachweislich endliche Herausforderungen. Per 1. Dezember 2021 ergab sich global laut WHO folgendes Bild:
Bezüglich der Sterblichkeit bietet die WHO eine globale Darstellung kombiniert mit den Inzidenzen an. Es ist erkennbar, dass trotz steigender Inzidenz auf globaler Ebene, die Sterblichkeit stabil ist. Das bestätigt den Wirkungsmechanismus der beschlossenen Maßnahmen.
Die Daten und Maßnahmen deuten keine dauerhafte Verschärfung der Krisensituation an.
Inflation: Basiseffekte und Kernrate
Die Preisinflation erreicht derzeit die höchsten Niveaus seit mehreren Jahrzehnten. Sie fällt höher aus als prognostiziert. In dem Euro-Raum betrug der Anstieg der Verbraucherpreise im letzten Monat 4,9 Prozent und in den USA 6,2 Prozent im Jahresvergleich.
Dieser Preisanstieg wird durch mehrere Treiber getragen. Die derzeitigen Lieferengpässe werden laut Expertenmeinung noch bis in das 2. Halbjahr 2022 Inflationsakzente setzen. Eine wichtige Größe stellen Rohstoffpreise dar (u.a. fossile Brennstoffträger). Der im Vorjahr stattgefundene Einbruch dieser Preise durch die Corona-Pandemie verstärkt die Basiseffekte. Im Jahr 2022 fallen die Basiseffekte mit hoher Wahrscheinlichkeit aus und dürften die inflationäre Gesamtsituation entspannen. Ob der aktuelle Einbruch der Rohstoffpreise (siehe Chart) zusätzlich eine dauerhafte Entspannungsindikation darstellt, ist ungewiss.
Nach der quantitativen Analyse schauen wir auf die qualitative Analyse der Preisentwicklung. Eine Zentralbank kann nicht direkt Rohstoffpreise oder globale Lieferketten beeinflussen. Zentralbanken müssen auf die Inflationsquellen innerhalb der Volkswirtschaft reagieren. Die werden von der Kernrate der Verbraucherpreise abgebildet. Sie legte im Euro-Raum zuletzt auf 2,6 Prozent zu, deutlich unter der Gesamtrate (4,9 Prozent). Die Wahrscheinlichkeit, dass im Zeitfenster des 4. Quartals 2021 die Spitzen der Inflationsentwicklung erreicht werden, ist hoch.
Die Verringerung der Anleiheankäufe durch die Zentralbanken, die in den USA begonnen hat, wird zeitversetzt global fortschreiten und kann als ein Indiz einer Stabilisierung gewertet werden. Das Thema Zinserhöhungen kann im 2. Halbjahr 2022 greifen. Diese Schritte wären kein Trendwechsel der repressiven Zentralbankpolitik, sondern sie wären Ausdruck eines erhöhten Inflationsbilds um 0,5 Prozent – 1,0 Prozent (Vergleich zu vor sechs Monaten) im Rahmen einer Parallelverschiebung Inflation/Zins. Real negative Zinsen werden am westlichen Geldmarkt und in weiten Teilen des Kapitalmarktes bestimmend bleiben. Eine Trendwende der repressiven westlichen Zentralbankpolitik ist nicht erkennbar.
Stagflation: Eine Bewertung
Im 3. Quartal 2021 wurde der Begriff Stagflation diskutiert. Eine Stagflation definiert eine Situation eines Währungsraumes, in der wirtschaftliche Stagnation und Inflation als auch abnehmende Beschäftigung miteinander einhergehen.
Die Weltwirtschaft wächst gemäß Prognosen des IWF 2021 mit 5,9 Prozent und 2022 mit 4,9 Prozent über ihrem Potenzial. Globale Arbeitsmärkte entwickeln sich positiv. Lohnsummen als auch Kaufkraft steigen und Sozialsysteme werden entlastet. Im Euro-Raum nähert sich die Arbeitslosenrate mit 7,3 Prozent dem niedrigsten Wert in der Gesamthistorie bei 7,1 Prozent (2008). Die Inflation ist Ausdruck erhöhter Nachfrage (Lieferengpässe). Der Index des deutschen Auftragseingangs hat im letzten Berichtsmonat den höchsten Wert in der Geschichte dieses Index geliefert, der mehr als 20 Prozent oberhalb des Niveaus vor Ausbruch der Corona-Krise liegt. Die aktuelle und weltweit prognostizierte Entwicklung steht in keinem Zusammenhang mit Inhalten der Stagflation.
Staatsdefizite: Bruttoschulden/Schuldentragfähigkeit
Im Zuge der Corona-Krise sind die Staatsdefizite angeschwollen. Das ist hinsichtlich einer Bruttoschuldenbetrachtung kritisch. Entscheidender ist die Schuldentragfähigkeit. Die hat sich nicht verschlechtert, da die Zinsniveaus niedrig sind. Japans gute Bonität (S&P Rating A+) trotz Bruttoschulden in Höhe von circa 240Prozent des BIP belegt, dass Schuldentragfähigkeit die entscheidende Größe ist. Staatsdefizite sind mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 7 – 8 Jahren finanziert. Alte Schulden mit höheren Zinsen wurden und werden mit Neuemissionen mit niedrigerem Zins refinanziert. Neuschulden werden mit Niedrigzins aufgenommen. Die Schuldentragfähigkeit erlaubt trotz hoher Bruttoschulden die Umsetzung der geplanten Wirtschaftsprogramme. Auf Sicht der kommenden 12 – 18 Monate ergibt sich aus der Entwicklung der Staatsdefizite mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Krisenpotential für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte.
Geopolitische Risiken
Die geopolitischen Risiken bleiben 2022 und darüber hinaus erhalten. Ein heißer Krieg ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf der Agenda. Dafür sind die internationalen Abhängigkeiten (u.a. elementare Rohstoffe) von Russland und China zu ausgeprägt. Auch ist das Niveau der Wehrtechnik sowohl in Russland als auch in China auf einem Plateau, das für den Westen zu viele Risiken mit sich brächte. Die Machtauseinandersetzungen werden sich jedoch fortsetzen. Sie schränken ökonomische Potenziale ein. Bei Entspannung eröffneten sich weltweit durch Multiplikatoreffekte deutlich erhöhte Wachstums- und Wohlstandschancen.
Wirtschaft und Märkte 2022
Die positive Grundtendenz sollte in der Weltwirtschaft anhalten. So erwartet der IWF 2022 ein globales Wachstum in Höhe von 4,9 Prozent. Das BIP der USA soll um 4,9 Prozent, das des Euro-Raums um 4,3 Prozent und das Chinas um 5,7 Prozent steigen. Die global aufgesetzten und noch nicht umgesetzten Wirtschaftsprogramme bieten über 2022 hinaus positive Wachstumsperspektiven für die Weltwirtschaft und die globalen Aktienmärkte, denn diese Programme müssen durch Unternehmen umgesetzt werden.
Auch die politischen Maßnahmen, die global verfügt werden, um Klimaschutzziele zu erreichen, zwingen Unternehmen in Neuinvestitionen, die weitere Wachstumsimpulse liefern werden. Neben den zu erwartenden positiven Impulsen aus dem Investitionssektor ergeben sich durch absehbar starke Arbeitsmärkte Lohnsummeneffekte, die auf den internationalen Konsum positiv durchwirken.
Die zuvor dargestellten Risiken sind im kommenden Jahr geeignet, der globalen Wirtschaft zeitlich begrenzt Dellen zuzufügen und Märkte in zeitlich begrenzte Korrekturen zu zwingen. Der positive Grundtenor für Ökonomie und Aktienmärkte bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit erhalten.
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Quelle: Folker Hellmeyer
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