Auf der letzten EZB-Ratssitzung im Dezember 2019 hatte Christine Lagarde eine umfassende Strategieprüfung angekündigt. Dabei ging es darum, dass alle geldpolitischen Instrumente und Ziele der Zentralbank – inklusive des Kernziels der Inflation von nahe bei, aber unter zwei Prozent – neu betrachtet und bewertet werden sollen. Die Prüfung soll im Januar 2020 beginnen und vor Ende 2020 abgeschlossen sein soll. Laut der neuen EZB-Präsidentin werde dabei kein Stein auf dem anderen bleiben.
Reformiert Christine Lagarde die Notenbank?
Fachleute halten eine Anpassung des Inflationsziels für relativ wahrscheinlich. Denn trotz der massiven geldpolitischen Intervention in den letzten Jahren, konnte die Europäische Zentralbank (EZB) das 2-Prozent-Ziel bei der Inflation nicht nachhaltig erreichen. Daher ist es vorstellbar, dass eine Absenkung des Ziels oder auch die Entscheidung für ein breiter gefasstes Inflationsband, beispielsweise einen Korridor zwischen ein und zwei Prozent eingeführt wird. Auch eine grundsätzliche Diskussion über radikalere geldpolitische Maßnahmen wie das Helikoptergeld ist durchaus denkbar. Erwarten kann man in jedem Fall eine Positionierung zu mehr nachhaltigen Investments durch die EZB, was Christine Lagarde bereits zum Beginn ihrer Amtszeit durch blicken lies. Allerdings sind die Mitglieder der Notenbank über den Vorstoß von Christine Lagarde, dass die EZB den Klimawandel stärker in ihrer Arbeit berücksichtigen müsse, gespalten.
Der deutsche Bundesbank-Chef Jens Weidmann geht unter anderem nicht davon aus, dass die Berücksichtigung der Klimaschutzaspekte mit dem Mandat der EZB vereinbar sind. Aber selbst wenn die EZB ihre Strategie langfristig ändern könnte, dürften wir uns im laufenden Jahr geldpolitisch überwiegend in dem bisher gewohnten Fahrwasser bewegen. Man kann deshalb davon ausgehen, dass die Zinsen weiterhin niedrig bleiben und der Leitzins im Jahr 2020 aus heutiger Sicht nicht angepasst wird. Auch beim Einlagezins ist nicht mit einer signifikanten Anhebung oder Senkung von Seiten der Währungshüter auszugehen. Allenfalls bei Anleihekaufprogramm sind Anpassungen wahrscheinlich.
Weltwirtschaftsrezession ist zwar erst einmal abgewendet, das Risiko bleibt dennoch
Die Schwäche der Weltwirtschaft hält weiter an, allerdings haben sich die Aussichten für das Jahr 2020 zumindest leicht verbessert. Die neue IWF-Chefin Kristalina Georgiewa hat auf der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos erklärt, dass zumindest die Gefahr einer Weltwirtschaftskrise vorerst abgewendet sei. Der lockeren Geldpolitik führender Notenbanken wie der Europäische Zentralbank (EZB) und der Federal Reserve System (Fed) sowie dem Teilabkommen im Handelsstreit zwischen den USA und China sei es zu verdanken, dass sich die Konjunktur zuletzt wieder etwas stabilisierte. Allerdings reicht diese Nachricht zum Aufatmen nicht aus, denn das Damoklesschwert aus politischen, sozialen und ökologischen Unsicherheitsfaktoren hängt weiterhin über der globalen Konjunktur. Aus der Sicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) sind grundlegende Strukturreformen für eine langfristige Stabilisierung der Wirtschaft dringend notwendig. Dabei geht es hauptsächlich um eine bessere internationale Zusammenarbeit, sowie einem entschlossenen Kampf gegen Klimawandel und soziale Ungleichheiten. Die meisten Experten gehen deshalb nicht von einer nachhaltigen Entspannung im Jahr 2020 aus.
Denn die wesentlichen Unsicherheitsfaktoren des vergangenen Jahres bleiben auch im laufenden Jahr präsent. Die wichtigsten Handelskonflikte dürften weiterhin auf der Tagesordnung bleiben, bzw. Donald Trump wird diese bisherigen Drohgebärden zur Durchsetzung seiner Vorstellungen weiter einsetzen. Auch der Brexit bleibt weiter ein Unsicherheitsfaktor. Dieser ist zwar auf den Finanzmärkten eingepreist, doch nach dem Austritt am 31. Januar 2020 gehen die Verhandlungen über das künftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien aufs Neue los. Hinzu kommen neue Risiken wie der geopolitische Konflikt zwischen den USA und Iran, die sich jederzeit zuspitzen und für weitere Unsicherheit sorgen können. Deshalb kann man zusammenfassen, dass das Wachstum weiter gedämpft bleibt und die Unsicherheiten hoch bleiben. Die Notenbanken werden deshalb weiterhin Geld in die Märkte pumpen, um die stotternde Konjunktur mit niedrigen Zinsen zu unterstützen.
Die Immobilienpreise steigen weiter und die Bauzinsen bleiben niedrig
Die Konjunktur tritt im Euroraum weiter auf der Stelle. Bei der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe pendelt die Rendite seit Oktober 2019 zwischen minus 0,2 und minus 0,4 Prozent. Der Topzins für zehnjährige Hypothekendarlehen stieg nach dem Jahreswechsel kurzfristig von 0,81 auf 0,83 Prozent, nur um wenig später wieder auf die aktuellen 0,79 Prozent zu fallen. Deshalb kann man sagen, dass eine Trendwende im Jahr 2020 nicht in Sicht ist. Derzeit sind keine Anzeichen für eine Aufwärtsdynamik zu erkennen und man davon aus gehen, dass die Zinsen mittelfristig weiter auf einem niedrigem Niveau bleiben werden. Für angehende Immobilienbesitzer bleiben daher die günstigen Bauzinsen weiterhin die gute Nachricht.
Allerdings trifft die Schattenseite der anhaltenden Niedrigzinsphase in Form immer höherer Kaufpreise für Immobilien auch die angehenden Immobilienbesitzer. Im Jahr 2020 kann von deutlich steigenden Immobilienpreisen ausgegangen werden, was den Zinsvorteil wieder vernichtet. In sehr vielen Regionen deckt das Angebot weiterhin nicht die bestehende Nachfrage. Es wird einen Nettozuzug verzeichnet und ein fortgesetzter Trend zu mehr Wohnfläche je Einwohner bzw. zu mehr Singlehaushalten. Hinzu kommen die historisch niedrigen Zinsen und mangelnde Anlagealternativen außerhalb des Immobiliensektors. Das alles deutet auf weiter steigende Immobilienpreise hin.
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